Tischkultur bei den Römern

 

 

 

© für die deutschsprachige Ausgabe                   2004 Arena Verlag, Würzburg

 

 

 

Die Römer saßen zum Essen nicht am Tisch, sondern legten sich auf Speisesofas, die Triclinia. Die Speisesofas waren in Hufeisenform angeordnet, so dass von einer Seite bequem bedient werden konnte. Für Unterhaltung sorgten Musiker und Schauspieler.

Was und wie die Römer gekocht haben, erfahren wir aus dem Kochbuch des Caelius Apicius "De re coquinaria libriX". Apicius hieß eigentlich M. Gavius und lebte zur Zeit der Kaiser Augustus und Tiberius. Da er wohl selbst das Leben eines Schwelgers und Genießers führte, enthält sein Kochbuch in erster Linie nicht Rezepte für das alltägliche Essen der Römer, sondern für die ausgefallenen, erlesenen, luxuriösen Menüs, wie sie in den Villen vornehmer Römer in der Kaiserzeit bei üppigen Gelagen beliebt waren
(vgl. Bild).

Die beiden folgenden Menüs sind nicht übermäßig aufwendig und waren deshalb wohl auch in den Küchen einer Durchschnittsfamilie anzutreffen. Sie lassen sich auch ohne übermäßigen Aufwand und ohne große Kosten – wenn auch etwas abgewandelt – nachkochen. Dabei beruhen die Mengenangaben auf Erfahrungswerten der „experimentellen Archäologie“, sind also nicht überliefert.

 

 

In ovis hapalis

Originalrezept VII, XVII, 3: [Stampfe] Piper, ligusticum, nucleos infusos. Suffundes mel, acetum, liquamine temperabis.

  Eier in Pinienkernsoße

Stampfe Pfeffer, Liebstöckel und eingeweichte Pinienkerne. Mische dies mit Honig, Essig und etwas Liquamen.

 

Rezeptvorschlag für 6 Personen:
100g Pinienkerne oder ersatzweise auch Mandeln, 1 Esslöffel Essig, 2 Esslöffel Öl, 1 Tl. Sardellenpast oder ersatzweise Worcestersoße oder Salz, 1 Tl. Honig, ½ Tl. Liebstöckel, 10-20 Pfefferkörner.
Weiche Pinienkerne über Nacht ein. Zerstampfe Pfefer und Liebstöckel im Mörser fein zu Pulver, gib die Pinienkerne dazu, stampfe sie mit Honig, Sardellenpaste, Essig und Öl zu einer „Majonäse“ (oder püriere alles im Mixer). Dazu reichten die Römer gekochte, noch warme Eier: eine sprichwörtliche Vorspeise, wie die Redensart „ab ovo ad malum“, „vom Ei bis zum Apfel“, d.h. von Anfang bis Ende des Gastmahls, besagt.

 

Sala Cattabia Apiciana

Originalrezept IV,1: Adicies in mortario apii semen, puleium aridum, mentam aridam, gigiber, coriandrum viridem, uvam passam enucleatam, mel, acetum, oleum et vinum. Conteres. Adicies in caccabulo panis Picentini frustra; interpones pulpas pulli, glandulas haedinas, caseum Vestinum, nucleos pineos, cucumeres, cepas aridas minute concisas. Ius supra perfundes. Insuper nivem sub ora asparges et inferes.

  Geflügelsalat à la Apicius

Gib in einen Mörser Selleriesamen, getrocknete Polleiminze, getrocknete Minze, Ingwer, frischen Koriander, entkernte Rosinen, Honig, Essig, Öl und Wein und zerreibe alles. Gib in einen Topf Picentinisches Brot, Hühnerfleisch ohne Fett und Knochen, Ziegenbrieschen, Vestinischen Käse, Pinienkerne, Gurke, feingehackte (trockene) Zwiebel, gieße die Soße darüber. Serviere in (einer randvoll mit) Schnee (gefüllten Schale).

 

Rezeptvorschlag für 6 Personen:
1 großes gekochtes Hähnchen (evtl. Poularde), ½ bis 1 Tasse kernlose Rosinen (je nach Geschmack), ½ Tl. Minze, 1 ½ Tl. Ingwerpulver, ½ Bund frischen Koriander (ersatzweise 30 Korianderkörner), ½ Tl. Selleriesamen (ersatzweise Selleriesalz), 1 Tl. Honig, 2 Esslöffel Olivenöl, 2 Esslöffel Marsalawein (o.ä. schweren Südwein), 4 Esslöffel von der Hühnerbrühe, 200 g italienischen Hartkäse,      100 g Pinienkerne (ersatzweise Mandelstifte), 20 Cornichons, 1 große Zwiebel, ½ Tube Sardellenpaste (ersatzweise Worchestersoße oder Salz).

Fußbodenmosaik eines Tricliniums:
Abfälle einer Mahlzeit

Das Hähnchenfleisch in kleine Stücke schneiden, Käse in schmale Streifen, Gurken in dünne Scheiben schneiden, Pinienkerne untermischen. Im Mörser Minze, Selleriesamen, Koriander fein zerreiben, mit Rosinen, Honig, Essig, Wein, Öl und etwas Hühnerbrühe zu einer Soße Pürieren, mit dem Fleisch vermischen. den Salat gekühlt auf Knäckebrot servieren. Dazu reicht man Fladenbrot. Als Nachtisch kann man die ebenfalls sprichwörtlichen Äpfel reichen – für die Römer eine seltene lukullische Delikatesse!

 

Kritik an Luxusgelagen:

Die römischen Gastmähler galten bereits einigen Zeitgenossen als Zeichen von Dekadenz. So schreibt der Erzieher des Kaisers Nero und Philosoph Seneca:

 

"Convivia mehercules horum non posuerim inter vacantia tempora, cum videam, quam [...] suspensi sunt ,quomodo aper a coco exeat, quanta arte scindantur aves in frusta non enormia, quam curiose infelices pueruli ebriorum sputa detergeant! Es his elegantiae lautitiaeque fama captatur et usque eo in omnes vitae secessus mala sua illos sequuntur, ut nec bibant sine ambitione nec edant."

(Seneca, de brevitate vitae, 12,5)

 

"Ihre Gastmähler möchte ich bei Gott nicht zur Freizeit rechnen, wenn ich sehe, wie [...] gespannt sie sind, wie der Eber vom Koch kommt, [...] mit welcher Kunstfertigkeit man das Geflügel in nicht übergroße Stücke zerlegt, wie sogfältig die unglücklichen Knäblein das Ausgebrochene der Betrunkenen aufwischen! Daraus gewinnt man den Ruf der Eleganz und des guten Geschmacks, und so weit folgen ihnen in alle Winkel ihres Lebens ihre Leiden, dass sie ohne Gefallsucht nicht mehr essen oder trinken können."

 

Wandmalerei aus Pompeji:
Ein römisches Festessen

 

 

 

 

                 

 

Literaturtipp: H.-P. von Peschke und W. Feldmann, Kochen wie die alten Römer, Zürich 1995.

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