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Wie Gallien römisch wurde –
römische Herrschaft und
Romanisierung
a) Die
frühe Entwicklung bis zur Einrichtung der Provinz Gallia Narbonensis
Beispielhaft für die Romanisierung
unterworfener Gebiete ist Gallien.
Das Gebiet der späteren Provinz
Narbonensis (Provence) war bereits vor der Ankunft der Römer durch
seine Nähe zu der griechischen Kolonie Marseille „hellenisiert“ und
genoss deshalb einen zivilisatorischen Vorsprung gegenüber dem
nördlichen Gallien, der bis in die Spätantike nicht verloren ging.
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Die römische Einflussnahme begann
in der Narbonensis mit den Siegen mehrer Feldherren über gallische
Stämme in den Jahren 125-121 (Anlass war ein Hilferuf aus Massilia,
das von den Salluviern angegriffen wurde. Infolge dieser Kämpfe
gewann Rom Verbündete unter den Stämmen auch in Zentralgallien.) Das
Gebiet östlich der Rhône wurde der Oberhoheit des röm. Verbündeten
Massilia (Marseille) unterstellt. Im Gebiet westlich der Rhône
begann der Ausbau der alten Heerstraße, der Via Domitia, die
schließlich in Augusteischer Zeit von Spanien bis nach Italien
führte. Zum Schutz der Via Domitia wurde im Jahre 118 die Bürgerkolonie Narbo Martius (Narbonne) angelegt. |
Via Domitia,
römisches Straßenpflaster in
Narbonne
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All diese Maßnahmen schienen dann
am Ende des 2. Jh. v. Chr. durch das Vordringen der Kimbern und
Teutonen zunichte gemacht zu werden, bis Marius ihrer schließlich
Herr wurde. Während dieser Kämpfe scheint sich aber die röm.
Organisationsstruktur verfestigt zu haben. Mehrfach taucht ab 95 v.
Chr. der Begriff „provincia Gallia“ auf. Wahrscheinlich sind zu
diesem Zeitpunkt aber noch beide Gallien, das oberitalische Gallia
cisalpina (diesseits: von Rom aus gesehen diesseits der Alpen) und
das südfranzösische Gallia transalpina (jenseits) gemeint. Eine
eigenständige Provinz Gallia transalpina ist erstmals für das Jahr
59 v. Chr. belegt. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Bewohner schon
für den Straßenbau und die Anlage von röm. Stützpunkten Land
abgeben, Steuern entrichten, Getreide liefern und Kriegsdienst in
den Auxiliartruppen leisten. I. J. 22 v. Chr. unterstellte Augustus
die völlig befriedete und urbanisierte Provinz Gallia Narbonensis
dem Senat.
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b) Das
nördliche Gallien
Etwas anders verlief die
Entwicklung im nördlichen Gallien. Nachdem Caesar im Jahre 58 v.
Chr. u. a.
Gallia Narbonensis als Prokonsul übernommen hatte, berichtete er,
das Land nördlich seines Amtsbezirkes sei geprägt von
Adelsherrschaft und werde von ständigen Kriegen zwischen
unterschiedlichen Stämmen um die Vorherrschaft geplagt. Er eroberte
dieses Gebiet und brachte es unter römische Herrschaft. Augustus
gliederte es dann in drei Teile: Gallia Lugdunensis, Aquitania und
Belgica. Es dauerte nicht mehr lange, bis auch hier eine Anpassung
an die römische Lebensweise erfolgt war. Aus den Stammesgebieten
wurden civitates. Sie erhielten Verfassungen nach röm. Vorbild und
das röm. Recht galt nun auch für sie. Die Inhaber der kommunalen
Ämter wurden mit dem Bürgerrecht belohnt und ein Aufstieg in die
Ränge der Reichsaristokratie, den Senatoren– und Ritterstand, war
prinzipiell möglich. Sie wurden zu Trägern der Romanisierung des
Landes.
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c) Die sozialen, kulturellen und
politischen Verhältnisse
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Pont
du Gard bei Nîmes |
Rein äußerlich
ist die Romanisierung Galliens auch daran zu erkennen, dass bereits
im 1. Jh. v. Chr. in Gallien die Nationaltracht der Römer, die Toga,
getragen wird und Gallier römische Namen annehmen. In der Zeit des
Augustus erhalten die Städte Tempelanlagen, Theater und Aquädukte
und die Aristokraten veranstalten nach röm. Vorbild Feste und
Spiele. |
Die zahlreichen gallischen
Gottheiten gerieten dennoch nicht in Vergessenheit, wurden jedoch –
erkennbar an ihren Namen – zu gallo-römischen: Z.B. Mars Albiorix,
Vintius Pollux, Vintius Augustus, Nymphae Griselicae. Neu waren
jedoch die nun aus Stein errichteten Heiligtümer. Wie in anderen
Reichsteilen hielten auch die orientalischen Kulte wie die der Isis,
Kybele oder der des Mithras in Gallien Einzug.
Ferner verbreitete sich natürlich
auch die Kaiserverehrung in Gallien. Die Kolonie Vienna (Vienne)
richtete noch zu Lebzeiten des Augustus und ganz in seinem Sinne
einen Kult für die Göttin Roma und Augustus ein und erbaute auf dem
Forum der Stadt einen Tempel.
Aber auch das Hinterland der Stadt
bezeugt mit vielen Inschriftenfunden, wie weit der Kaiserkult, aber
überhaupt auch die lateinische Sprache Verbreitung gefunden hatte.
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Stellvertretend für die politischen
Strukturen in den gallischen Städten seien hier die Verhältnisse von
Nemausus (Nîmes) vorgestellt:
Die niederen Ämter waren die
Quästur und die Ädilität. Die Quästoren waren wie überall für die
Verwaltung der städtischen Finanzen zuständig, die Ädilen hatten die
Aufsicht über Tempel und Heiligtümer, Straßen, Kloaken und Bäder,
den Markt, Gewichte und Maße sowie die Polizei. Der nach dem
römischen Vorbild organisierte Stadtrat (ordo decurionum) war |
Maison Carèe in Nîmes |
das
wichtigste Organ. Im Gegensatz zu den jährlich wechselnden Beamten
blieben die Dekurionen auf Lebenszeit in ihrer Funktion. Ihre Zahl
war gesetzlich festgelegt und richtete sich nach der Größe der
Stadt. Nach dem Vorbild der röm. Ordnung nahmen auch in den Städten
Zensoren die Ergänzung des Rats alle fünf Jahre vor. Die Beamten und
die Dekurionen hatten die Verantwortung für die Einkünfte aus den
städtischen Liegenschaften, setzten die öffentlichen Spiele und die
dafür zu verwendenden Gelder fest und bestimmten, welche
Arbeitsleistungen die einzelnen Bürger zu erbringen hatten.
Für die Rechtsprechung wurde aus
der Zahl der Dekurionen und anderen vermögenden Personen eine
Richterliste erstellt, aus der dann die Rechtsparteien einen Richter
wählen konnten.
Beamte und Priester bezogen wie
überall kein Gehalt. Man verlangte von ihnen, dass sie mit ihrer
Zeit und ihrem Vermögen für die Belange der Stadt eintraten. Die
Ratsherren mussten z.B. Gesandtschaftsreisen zum Kaiser, zum
Statthalter oder zum Patron übernehmen, um zwischen den beiden
Ebenen der Verwaltung, der städtischen und der staatlichen Kontakt
zu halten. Theoretisch stand ein Zuschuss aus der Stadtkasse zur
Verfügung, doch erwartete man, diesen nicht in Anspruch zu nehmen.
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Die Bürger zahlten in Nîmes genauso
Steuern an den röm. Staat wie anderswo. In den Städten führten die
Bürger nicht einen bestimmten Anteil ihres Vermögens oder ihrer
Einkünfte an die
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Stadtkasse ab, sondern sie stellten
sich mit ihrer Person und ihrem Vermögen zur Verfügung und
übernahmen nach Maßgabe ihrer Kräfte öffentliche Lasten (munera). – Auch für diesen Aspekt
können also Nîmes und Gallien als repräsentativ für die Angleichung
der politischen und rechtlichen Verhältnisse im gesamten Reich
gelten. |
Römisches Amphitheater in Nîmes |
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d) Die
Christianisierung
Die Christianisierung Galliens
erfolgte wohl von Italien aus oder aber über Personen, die direkt
aus Kleinasien nach Gallien reisten.
Darauf lassen zwei griechischsprachige Gemeinden in Lyon und Vienne
schließen.
Auch hier fanden
Christenverfolgungen statt. Während der Regierungszeit Mark Aurels
kam es im Jahre 177 n. Chr. zu einem Pogrom gegen die kleinen Gemeinden von Vienne und Lyon, dem 48 Personen zum Opfer fielen.
Über die Christianisierung ist im
Ganzen jedoch wenig bekannt. Sicher ist, dass es im Jahre. 254 n.
Chr. bereits
mehrere Bistümer gab. Im Jahre 314 n. Chr. nahmen an einem von Konstantin nach Arles
einberufenen Konzil Vertreter von 16 gallischen Kirchen teil,
darunter Bischöfe aus Arles, Vienne, Lyon, Vaison, Marseille,
Bordeaux, Eauze, Autun, Reims, Rouen, Trier und Köln; Diakone kamen
aus Orange, Nizza und Javols, aus Apt ein Presbyter. Bistümer
existierten zu diesem Zeitpunkt nachweislich auch in Narbonne,
Toulouse, Paris, Metz, Sens und Auxerre. Es zeigt sich hier aber
auch, dass das Christentum in Gallien vorwiegend in den Städten
existierte.
Die relativ hohe Zahl an Bistümern
ändert nichts an der Tatsache, dass auch z. Z. Konstantins Gallien
noch weitestgehend heidnisch war. Dies blieb gerade auf dem flachen
Land und in den Kreisen der Aristokratie bis ins 5. Jh. unverändert.
Noch heute deutet das französische Wort payen (Heide), das vom
lateinischen „paganus“ (Landbewohner) abgeleitet ist, darauf hin. |
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